Sibang
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Unser heutiges Etappenziel ist Sibang. Der Weg zieht sich die
erste Stunde im nunmehr bekanntem auf und ab daher. Plötzlich aber kommt der
erste steilere Anstieg von ca. 300 Höhenmetern. Zum ersten Mal erscheint jetzt
das Dhaulagiri Massiv in der Ferne. Durch die gewonnene Höhe wird die Temperatur
etwas erträglicher. es ist zwar immer noch sehr warm, aber ein leichter Wind
verschafft uns allen wenigsten etwas Abkühlung.
In Dharapani legen wir eine kleine Getränkepause ein, bevor dann
in Takum die Mittagspause auf uns wartet. Unterwegs sehen wir viele
Wasserbüffel, die meist für Feldarbeiten eingesetzt werden. Während unsere
Mittagspause rennen zwei übermütige Büffel auf unsere Küchencrew zu und können
nur mit Mühe vertrieben werden. Kurz darauf kommt eine ältere Frau mit mehreren
Büffeln an unserem Rastplatz vorbei. Die ersten Tiere schlage den falschen Weg
ein, was die Frau aber zu spät bemerkt. Sie hat große Mühe die Tiere wieder
einzuholen und zurückzutreiben, da die Tiere ein beachtliches Tempo haben.
Auf dem Weg nach Sibang. Die Eisriesen
tauchen zum ersten Mal auf.
Die Dhaulagiri-Gruppe
Wasserbüffel die für die Feldarbeit
eingesetzt werden
In Dharapani
Mittagspause in Thakum
Nach ca. 5 Stunden Gehzeit erreichen wir am Nachmittag Sibang.
Wir haben heute etwas an Höhe gewonnen, wenn auch nicht sehr viel. Sibang liegt
auf ca. 1400 Meter. Erneut ist der Schulhof unser Zeltplatz und heute sind auch
wieder ganze Scharen von Kindern da. Wir entdecken am Ortsrand hinter der Schule
einen wirklich tollen Waschplatz, der von allen sofort aufgesucht wird um sich
von dem ganzen Staub und Dreck der letzten Tage zu befreien. Als wir zurück zu
unseren Zelten kommen, hat man uns einen großen Behälter mit Getränken zwischen
unsere Zelte gestellt, aus dem wir uns bedienen können. Am Schluss zahlen wir
dann das, was getrunken wurde.
Auch hier sind die Kinder sehr neugierig. Sobald man sich
hinsetzt und etwas schreibt oder den Fotoapparat rausholt sind die Kinder da und
beobachten einen voller Interesse. Als ich meine Dhaulagirikarte raushole habe
ich sofort eine ganze Traube von Kindern um mich rum. Einige der Jungs sprechen
diesmal auch ganz gut Englisch. Sie fragen nach unserer Tour und ich erkläre
ihnen, wo wir hingehen. Ein Junge kann sogar die Ortsnamen in der Karte lesen.
Kinder kurz vor Sibang
Zeltplatz auf dem Schulhof von Sibang
Kinder in Sibang
Beim Fotografieren wollen alle mit aufs
Bild
Das Schulgebäude von Sibang
Kinder mit mir auf dem Schulhof in Sibang
Plötzlich ein großer Schock. Eine alte Frau bringt einen Jungen
von ca. 9 Jahren vorbei, der an der ganzen rechten Körperhälfte Brandwunden hat.
Die Wunden sind schon einige Tage alt, und sind total verdreckt und verkrustet. Teilweise
treten Eiterblasen aus den Wunden hervor. Ein schrecklicher Anblick. Da sich in
unserer Gruppe ein Arzt befindet, bittet die alte Frau um Hilfe. Der Junge
scheint Epileptiker zu sein und ist während eines Anfalls in eine offenen
Feuerstelle gefallen. Offensichtlich scheint das aber nicht das erste Mal zu
sein, dass dem Jungen so etwas Schlimmes zugestoßen ist. Die Zehen an seinen
Füssen sind total verstümmelt, vermutlich durch einen ähnlichen Vorfall. Unser
erster Gedanke ist, den Jungen von unseren Trägern ins Krankenhaus nach Pokhara
bringen zu lassen, aber das will man nicht zulassen. Der Junge soll den Ort
nicht verlassen. Diese Entscheidung können wir nur sehr schwer verstehen, aber
so bleibt uns, bzw. unserem Arzt nichts anderes übrig, als vor
Ort wenigstens eine Art Notversorgung durchzuführen. Der offizielle
Medikamentenkoffer und die privaten Medizintaschen werden nach allem
Verwertbarem geplündert, um dem Jungen zu helfen. Der Kleine wird auf einen Campingstuhl gesetzt und dann beginnt die schreckliche Prozedur. Der Dreck, der
Eiter und die alte Kruste werden von unserem Arzt runtergeholt bis das rohe
Fleisch wieder sichtbar ist. Die einzige Betäubungsmöglichkeit sind
Schmerztabletten, die aber vermutlich nur den Sinn haben unser Gewissen zu
beruhigen. Es müssen fürchterliche Schmerzen sein, die der Junge aushalten muss.
Eigentlich hatte ich erwartet, dass er bei der Behandlung ohnmächtig wird, aber
das passiert nicht. Er schreit zwar fürchterlich, aber angesichts dessen was
hier mit ihm passiert, nur zu verständlich. Als die Wunden sauber sind, werden
diese mit Betasalben versorgt und verbunden. Mehr können wir zur Zeit nicht tun.
Unser Arzt gibt der Frau noch den Hinweis darauf zu achten, dass die Wunden nun
sauber bleiben. Dieser Hinweis ist aber vermutlich völlig sinnlos. Der Kleine war völlig verdreckt als er zu uns gebracht wurde,
und war es wahrscheinlich schon kurz darauf wieder. Außerdem sollte die
Frau in zwei Tagen bei einer französischen Gruppe, die nach uns kommt, mit dem
Jungen vorbei schauen, damit die Verbände gewechselt werden. Während der ganzen
Zeit der Behandlung steht eine riesige Menschentraube um uns rum und schaut
offensichtlich voller Interesse zu.
Heute hat sich uns ein Riesenproblem in diesen abgeschiedenen
Regionen Nepals offenbart - die medizinische Versorgung. Hier in diesem
abgelegenen Tal, wo kaum Touristen hinkommen, gibt es keine medizinische
Versorgung. Das zeigte sich auch an einer Vielzahl von Krüppeln, die
uns auf unserer Tour begegnet sind. Ein Beinbruch hat hier fatale Folgen und
kann kaum gerichtet werden.
Sollte irgendwer in Zukunft einmal durch Sibang kommen, dann
schaut doch bitte einmal, was aus dem Jungen geworden ist, und lasst es mich
wissen. Danke!